Frühling 2020
LEBENDIGE HOFFNUNG IN KRISENZEITEN
Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiß an jedem neuen Tag.
Dietrich Bonhoeffer im Dezember 1944
Als ich Anfang Februar begann, die Biographie von Dietrich Bonhoeffer zu lesen, konnte ich noch nicht ahnen, wie aktuell die Worte aus dem Text des bekannten deutschen Theologen schon in kurzer Zeit für uns alle werden würden.
Auch uns in Odessa betrifft die “Coronakrise” – eine landesweite Quarantäne und die große Angst und Unsicherheit, die viele Menschen belastet. Hinzu sehen wir uns in der Ukraine noch einer massive Desinformation ausgesetzt, einem desolaten Gesundheitssystem und einem Chaos in Politik und Gesellschaft, dass an die Zeit zu Beginn des Konflikts in der Ostukraine erinnert und es vielleicht schon übertrifft.
Welch ein Schatz ist es, sich in dieser Zeit in Gottes Hand geborgen zu wissen und Kraft und Zuversicht in unserem Glauben zu schöpfen. Wir sind froh und dankbar, dass wir auch in dieser herausfordernden Zeit, den Familien, deren Kinder sonst unseren Tageszentren betreut werden, Hilfe und Unterstützung anbieten können.
Seit dem 12. März sind alle Schulen geschlossen und seit dem 21. März fahren keine öffentlichen Verkehrsmittel über Land. Das heißt für die meisten Eltern unserer Kinder in Petrovka, dass sie nicht mehr zur Arbeit kommen können. Viele haben sofort ihre Stellen verloren und sind nun ohne jegliches Einkommen zu Hause.
In der ersten Quarantänewoche nahmen nur 10 Familien unser Angebot an, Lebensmittelpakete ausgeliefert zu bekommen. Am vergangenen Freitag machten schon circa 30 Familien davon Gebrauch. Es ist eine traurige Tatsache, dass es schon jetzt Familien gibt, die wenig bzw. nichts mehr vorrätig haben und auch keine Chance etwas zu verdienen.
Neben dieser praktischen Hilfe mit Lebensmitteln und Medikamenten helfen unsere Mitarbeiten auch mit Fahrdiensten bei wichtigen Arztterminen oder Besorgungen (zum Beispiel der Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten zur Therapie von HIV, die keinesfalls unterbrochen werden darf), da man ohne Genehmigungsschein die öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr benutzen kann.
Da die gesamte Bildung nun zu Hause abläuft, haben auch wir uns umgestellt und bieten Hausaufgabenhilfe, Fremdsprachenunterricht und Kinderbibelstunden online an. Außerdem rufen unsere Mitarbeiter täglich die Eltern oder Kinder und Jugendlichen an, um sich ein Bild über die häusliche Situation zu verschaffen. So hoffen wir in dieser Krisenzeit Gewalt und Vernachlässigung vorbeugend entgegenzuwirken. Diese Taube als Symbol der Hoffnung auf einen Neuanfang nach der Krise wurde uns gestern von einem kleinen Mädchen in unsere gemeinsame WhatsApp-Gruppe gesandt.
Unsere Mitarbeiter waren erstaunt und fasst schon peinlich berührt als sie in diesem Monat ihr volles Gehalt ausgezahlt bekamen, in Krisenzeiten wie diesen wohl eine Ausnahme in der Ukraine. Für uns Gott sei Dank eine Selbstverständlichkeit.
Wir möchten uns bei Euch allen von Herzen bedanken, die obwohl auch Eure Länder von dieser Ausnahmesituation nicht verschont geblieben sind, weiter an uns denken, für uns beten und uns finanziell unterstützen. Danke, dass Ihr uns helft Menschen, die von den meisten vergessen werden zu zeigen, dass sie nicht vergessen sind.
Schließen möchte ich mit einem Gedicht bzw. Gebet von Bonhoeffer. Die Zeit in der er es verfasste war eine andere als das was wir heute erleben, aber doch nicht weniger herausfordernd. Seine Worte können uns ermutigen und zu unserem Gebet werden.
Herr, in mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich.
Bleibt behütet und gesegnet.
Slavik und Nicole mit Rebekka und Sarah sowie die Kinder, Familien und Mitarbeiter von Lebendige Hoffnung Odessa & Petrovka