Herbst 2023
WENN ICH WÜSSTE, DASS MORGEN DIE WELT UNTERGINGE, WÜRDE ICH
HEUTE NOCH EIN APFELBÄUMCHEN PFLANZEN.Martin Luther (nicht schriftlich bestätigtes Zitat)
Angst vor der Zukunft und Unsicherheit sind die Worte, die die vorherrschenden Gefühle in meinem ukrainischen Umfeld am besten beschreiben. Es klingt vielleicht paradox aber gerade unter diesen Umständen ist es so leicht Hoffnung zu säen. Als ich Mitte Juni wie geplant nach Odesa zurückgekehrt bin, wusste ich noch gar nicht, ob wir überhaupt wieder mit Kindern und Jugendlichen in der gewohnten Form arbeiten würden. Nun kann ich mit großer Dankbarkeit berichten, dass wir seit dem 04.09. wieder eine regelmäßige Nachmittagsbetreuung in einem unserer Tageszentren anbieten. Wir starten mit einer kleinen Gruppe von Kindern, die wir schon vor dem Krieg betreut haben. Ihre Freude über meine Rückkehr und die Wiedereröffnung waren unübersehbar und sehr bewegend.
Als wir durch unsere Kontaktlisten der Familien schauten, die noch im Februar 2022 für unser Programm angemeldet waren, konnten wir feststellen dass fast 90% nun nicht mehr in Odesa oder Petrovka leben. Alles sind entweder in andere Orten der Ukraine oder in andere Lä nder gezogen. Dennoch lohnt es sich für jeden einzelnen der hier ist, die Arbeit in Odesa wieder aufzunehmen. Täglich werden wir von Menschen um Hilfe und Unterstützung gebeten. Wir helfen mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen Ausgaben, stehen Frauen und Müttern bei, die ihre Söhne und Männer im Krieg verloren haben oder die noch als vermisst gelten. In den letzten drei Wochen starb ein Stiefvater von zwei Jungen, die zu uns kommen an der Front und ein junger Mann, der als Kind in unser erstes Tageszentrum kam, fiel am 21. August. Das macht uns fassungslos und traurig.
Ich möchte Euch noch in eine Familiengeschichte mit hineinnehmen, die wir viele Jahre lang begleitet haben und die sich doch zum Guten für den kleinen Jungen um den es geht gewendet hat. Seit seiner Geburt vor elf Jahren war er ein regelmäßiger Besucher. Seine Mutter war schwer drogenabhängig und sehr krank. Leider starb auch seine Schwester vor zwei Jahren im Teenageralter. Als der Krieg im Februar 2022 begann und wir unser Zentrum schließen mussten, organisierten wir die Aufnahme des Jungen in einer Pflegefamilie in der Westukraine. da uns klar war, dass er ohne Betreuung nicht bei seiner kranken Mutter bleiben konnte. Es stellte sich als die richtige Entscheidung heraus. Im Mai 2023 ist seine Mutter nach langem Leiden verstorben. Als wir die Wohnung sahen, wo sie drei Tage unentdeckt tot gelegen hatte, war uns klar, dass der Umzug in die Westukraine auch dem Jungen das Leben gerettet hatte. Er hat neue Eltern und es ist so gut zu sehen, dass er sich in seiner neuen Familie wohl fühlt, dass er gut versorgt und angenommen ist. Wir hoffen und beten, dass er als einziger Überlebender seiner Ursprungsfamilie einen anderen Weg einschlägt als seine Vorfahren. Alle Weichen dafür sind Gott sei Dank gestellt. Um die Reinigung, Desinfektion und Entrümpelung der Wohnung und die Beerdigung der Mutter hat sich unser Verein gekümmert.
Noch haben wir warmes Wetter in Odesa. Von der Regierung wird uns vermittelt, dass wir uns auf einen harten Herbst und Winter einstellen müssen. Umso wichtiger, dass wir hier vor Ort sein können. Wir danken Euch sehr dafür, dass Ihr dass durch Eure finanziellen Gaben und Gebete ermöglicht.
Wir wollen auch in diesem Jahr Kinder, Jugendliche und Senioren zum Weihnachtsfest beschenken. Wenn es Euch möglich ist auch ein Weihnachtsgeschenk zu packen, könnt Ihr mehr zu dem, was ins Päckchen soll und wo es abgegeben werden kann auf unserer Webseite erfahren.
Wenn Ihr spezielle Fragen habt, könnt Ihr Euch gern bei uns melden.
Wir wünschen Euch allen Gottes Schutz und Segen.
Herzlichst,
Nicole und Slavik mit den Kindern und Mitarbeitern von Lebendige Hoffnung e.V. in Odesa und im Erzgebirge