Frühling 2023

Frühling 2023

QUO VADIS LEBENDIGE HOFFNUNG?

„Wie geht es weiter?“ – „Wie schauen Eure Pläne für die Zukunft aus?“ – „Werdet Ihr weiter in der Ukraine arbeiten?“ – Diese und ähnliche Fragen wurden uns in den vergangenen Wochen und Monaten von vielen Freunden und Bekannten gestellt. In diesem aktuellen Rundbrief wollen wir neben einem kurzen Bericht darüber was wir in den ersten 5 Monaten 2023 getan haben auch versuchen, Antworten darauf zu geben wie die Arbeit von „Lebendige Hoffnung“ weiter geht.

Besuche in der Ukraine

Ich bin sehr dankbar, dass ich in diesem Jahr schon zweimal in Odessa sein konnte. Auch wenn das Reisen in die Ukraine beschwerlicher geworden ist seit es keine direkten Flüge und oft lange Wartezeiten an der Grenzen gibt, war es eine gesegnete und wichtige Zeit, gerade auch um gemeinsam mit Slavik herauszufinden, wie die Zukunft aussehen könnte. Trotz der vielen Veränderungen in Odessa war es doch ein „Nach-Hause-Kommen“. Unsere gemieteten Gebäude sind alle unversehrt, stehen jedoch schon mehr als ein Jahr leer. Da der Kindergarten, in dem sich unserer erstes Tageszentrum in Odessa befand, komplett geschlossen ist und wegen fehlender Luftschutzkeller nicht dafür geeignet ist, mit Kindern zu arbeiten, haben wir uns schweren Herzens entschieden, den Mietvertrag aufzulösen. Wir haben die Zimmer geräumt und der Stadt übergeben. Es ist wichtig zu erwähnen, dass sowohl alle Mitarbeiter als auch ein Großteil der Kinder mit ihren Familien, die regelmäßig diese Einrichtung genutzt, haben inzwischen ins Ausland geflüchtet und in Sicherheit sind. Mit vielen der Zurückgebliebenen haben wir nach wie vor Kontakt und unterstützen mit Worten und Taten. Den Ort loszulassen, an dem alles begonnen hat, war für keinen von uns einfach und hat Überwindung gekostet. Trotzdem haben wir inneren Frieden über diese Entscheidung.

Die Besuche in Odessa boten auch Gelegenheit, treue Weggefährten und Freunde endlich wiederzusehen. Als ich im Februar 2022 wie so viele die Ukraine verlassen musste, war nicht klar, ob wir uns jemals wieder umarmen würden. Große Dankbarkeit erfüllt mich im Rückblick auf diese Begegnungen. Zusammen mit Alexandra, die seit vielen Jahren unser Zentrum in Petrovka leitet, haben wir uns durch alte Erinnerungen, Unterlagen und Fotos gearbeitet, sortiert, archiviert und Ordnung geschaffen.

Odessa hat sich verändert. Viele Binnenflüchtlinge aus Cherson, Nikolayev, den besetzten Gebieten und Charkov leben jetzt hier, denen man die erlebten Schrecken ansieht. Junge Männer in Zivil sieht man immer weniger, oft werden vor allem Männer nach ihren Ausweisen gefragt und häufiger Luftschutzalarm erinnert immer wieder daran , dass nun alles anders ist. Und dennoch geht das Leben weiter: Kinder werden geboren, Hochzeiten gefeiert… Die Lebenshaltungskosten sind stark gestiegen. Preise für Lebensmittel übersteigen zum Teil die Preise in Deutschland. Sollte ich die Stimmung im Land mit einem Wort zusammenfassen, fällt mir „Müdigkeit“ ein. Die Menschen sind müde vom Kampf ums Überleben, von den schlechten Nachrichten, den Traueranzeigen, der Zukunftsangst. Das ist auch ein Grund dafür, weshalb wir die Arbeit unseres Vereins in der Ukraine weiterführen werden. Lebendige Hoffnung, Hoffnungsstrahlen wollen wir weiter verbreiten. Deshalb werde ich im Juni wieder zurückkehren und wir werden die bestehenden Projekte wieder aufnehmen – natürlich angepasst an die veränderten Umstände.

Lebendige Hoffnung für geflüchtete Ukrainer

Auch für viele der Familien, die wir in den vergangenen 15 Monaten intensiv betreut haben, stehen große Veränderungen an. Alle, die bisher im Pfarrhaus in Hermannsdorf gelebt haben ziehen ab Juni in eigene Wohnungen in Annaberg. Sie werden bis zum Ende des Krieges in Deutschland leben, arbeiten und zur Schule gehen. Momentan richten wir die Wohnungen ein und kümmern uns um alle wichtigen Formalitäten. Ein herzlicher Dank an jeden, der uns dabei unterstützt!

Ein besonderes Geschenk war es für mich, dass ich eine Frau, der im März 2022 die Flucht mit ihrem verletzten Ehemann und zwei Kindern aus Mariupol gelang während ihrer dritten Schwangerschaft begleiten durfte, die im März mit der Geburt eines gesunden Jungen gekrönt wurde. Jedes neue Leben ist ein Wunder!

Auch in diesem Jahr konnten wir schon viele Hilfsgüter in die Ukraine schicken. Neben medizinischen Hilfsgütern, Fahrrädern und Möbeln auch Lebensmittelpakete, die an Familien verteilt wurden, deren Väter im Krieg gefallen sind. Ein befreundeter Mitstreiter aus Dresden organisiert immer wieder Hilfstransporte, die bei denen ankommen, die in Not sind. Zu Ostern hatte er die Gelegenheit unsere Pakete selbst vor Ort zu verteilen. Vielen Dank allen, die sich an dieser Aktion beteiligt haben!

 

Zukunftspläne

Wie bereits erwähnt, plane ich, nach dem Umzug der ukrainischen Familien in ihre eigenen Wohnungen, wieder in die Ukraine zu gehen. Wir wollen weiter Menschen in Not unterstützen, Kinder und Jugendliche fördern und Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Zusätzlich arbeiten wir daran, einen Ort der Ruhe für traumatisierte Menschen zu schaffen. Dieses neue Projekt liegt uns sehr am Herzen. Deshalb habe ich in den vergangenen 5 Monaten eine Weiterbildung im Bereich Traumaberatung abgeschlossen, um Menschen qualifiziert zur Seite zu stehen. Euch werden in den nächsten Monaten regelmäßig Updates darüber erreichen, wie sich die Lage in Odessa und Umgebung und auch die Arbeit von Lebendige Hoffnung entwickelt.

Wir bedanken uns von ganzem Herzen für alle Eure Gebete, Gaben und Nachfragen und für Eure Treue über so viele Jahre. Es ist ein großes Geschenk in dieser herausfordernden Zeit Teil einer so wertvollen Gemeinschaft zu sein.

Herzlichst

Nicole & Slavik Borisuk

Lebendige Hoffnung e.V.
IBAN: DE77870540003442001004
SWIFT: WELADED1STB