Jahresbericht 2024

Warme Herzen in kalten Zeiten
2024 neigt sich dem Ende zu. Auch in diesem Jahr hat sich unser aller Hoffnung auf ein Ende des grausamen Krieges gegen die Ukraine leider nicht erfüllt. Im Gegenteil, mit jedem Tag wächst das Leid, die Armut und die Perspektivlosigkeit. Die Menschen um uns herum und auch wir sind erschöpft – nicht nur körperlich, was dem chronischen Schlafmangel durch nächtliche Luftangriffe geschuldet ist – sondern vor allem emotional. Es besteht die große Gefahr, durch die unvorstellbare Menge an Leid, Hilfslosigkeit und dem Mangel an ehrlichen Antworten die Hoffnung und das Mitgefühl zu verlieren. Man hat den Eindruck, dass sich das Bibelwort aus dem Matthäusevangelium 24:12 „weil die Gesetzlosigkeit überhand nehmen wird, wird bei den meisten die Liebe erkalten“ in unserer Zeit erfüllt. Umso mehr fühlen wir uns als Christen gerufen, Menschen in ihrer Not nicht allein zu lassen Es ist ein Geschenk, dass wir in unserem Glauben die notwendige Kraft und Zuversicht zu finden. Wir sind dankbar, dass wir als Team von „Lebendige Hoffnung“ in Odesa aber auch im Erzgebirge Wärme in diesen kalten Zeiten verströmen können. Das ist auch eurer Treue und großzügigen Unterstützung geschuldet. Vielen herzlich Dank dafür! Remarque werden die Worte „In dunklen Zeiten kann man helle Menschen deutlich sehen“ zugeschrieben. Es ist sehr viel Wahrheit in diesem Satz. Danke, dass ihr auch in diesem Jahr mit uns zusammen Wärme und Licht verbreitet habt.
Unser Tageszentrum – ein Schutzraum für Kinder und Jugendliche in Odesa
In diesem Jahr hatten wir schon mehr als 1800 mal Luftalarm in Odesa. Wir sind dankbar, dass wir nichtsdestotrotz unser Zentrum wochentags immer von 12 bis 17 Uhr geöffnet haben können und somit zumindest ein Minimum an Alltag und Struktur für unsere Kinder gewährleisten können.
Wir sehen wie die Beständigkeit und feste Bezugspersonen einen guten Einfluss auf die Entwicklung der Kids haben und sind dankbar, dass wir weiter zu einer starken Gemeinschaft zusammengewachsen sind, die immer bereit ist, neue hilfsbedürftige Menschen aufzunehmen.
Eine erschreckende Beobachtung, die wir leider machen, ist die wachsende Armut, die es nötig macht, regelmäßig am Freitag auch Einigen ein Lebensmittelpaket fürs Wochenende mitzugeben, da sie ansonsten hungrig wären. Auch die Reste vom gemeinsamen Mittagessen werden täglich gern mit heim genommen. Vor einigen Wochen war ich erstaunt, als ein Vierzehnjähriger beim Inspizieren der Wochenendration ein Stück Butter entdeckte und aufgeregt reagierte. Für ihn war das ein großer Grund zur Freude. An einem anderen Tag fragte mich eine Mutter beschämt, ob ich nicht ein paar Schuhe für ihre zwölfjährige Tochter hätte, da sie nur ein Paar Winterschuhe hätten, die sich sich teilen und so immer nur eine aus dem Haus könnte. Gern haben wir geholfen und sind gemeinsam Shoppen gegangen. Die Dankbarkeit des Mädchens war offensichtlich. Schön, dass Vertrauen wächst, so dass die Menschen ihre Nöte materieller aber auch seelischer Art mit uns teilen. Dank Eurer dauerhaften Unterstützung können wir darauf adäquat reagieren.
Seit November können wir neben Logopädie, Basteln und Frühförderung nun auch zweimal pro Woche altersgerechten Englischunterricht in drei Kleingruppen anbieten. Da wir wegen des Krieges leider auf den Einsatz internationaler Freiwilliger verzichten müssen, haben wir seit dem Herbst drei ukrainische Teenager, die schon als Kinder bei uns waren, eingeladen, bei den täglichen Abläufen als Ehrenamtliche mitzuhelfen. Das ist eine große Bereicherung für beide Seiten. Wir freuen uns darüber wie sie sich engagieren und in Verantwortung hineinwachsen.
Individuelle Hilfe für Menschen in Not
Die finanzielle Unterstützung verletzter und kranker Menschen gehört zu einem weiteren wichtigen Bereich unseres Dienstes. So konnten wir unter anderem für im Krieg schwer verletzte Männer die Rehabilitation in einer guten Einrichtung bezahlen und auch behinderte Menschen bei Behördengängen begleiten.
Außerdem schicken wir regelmäßig humanitäre Hilfe nach Kostyantinivka – eine Stadt, die inzwischen nur noch circa 10 Kilometer von der Front entfernt ist. Bekannte von uns versorgen dort die Menschen, die die Stadt nicht verlassen können oder wollen, vor allem Rentner. Auch ein Teil der Weihnachtspakete, die wir in diesem Jahr aus Deutschland erhalten haben, werden wir dorthin weiterverschicken. Tatyana schrieb letzte Woche: „Wir wollen uns ganz herzlich im Namen aller, die wir versorgen, bedanken. In den Häusern gibt es keine Heizung mehr, bei vielen sind die Fenster zerstört. Es gibt wenige Orte wo man sich wärmen kann. Es trauen sich immer weniger Ehrenamtliche in unsere Stadt. Das macht eure Pakete noch viel wertvoller.“ Auch Menschen in Dörfern rund um Odesa besuchen wir und versorgen mit allem was gebraucht wird. Danke, dass ihr das möglich macht!
Unterstützung für ukrainische Geflüchtete in Deutschland
Von unserem deutschen Verein werden auch im dritten Kriegsjahr, die mit mir im Winter 2022 geflüchteten Familien weiter begleitet. Einige Jugendliche werden im nächsten Jahr voraussichtlich schon ihre Ausbildung zum Fachinformatiker und Koch beenden. Andere haben in diesem Jahr eine Lehre begonnen. Weitere besuchen die Schule. Es ist nicht leicht, die Mütter in Arbeit zu bringen, da es oft an Gelegenheiten mangelt. Aber wir sind froh, dass auch das Stück für Stück gelingt. So hat zum Beispiel eine Frau eine Anstellung in einer Bäckerei und eine andere bei einem Autoteilezulieferer gefunden. Kurz vor Weihnachten werden wir auch im Erzgebirge einen gemeinsamen Weihnachtsgottesdienst feiern.
LEBENDIGE HOFFNUNG 2025
Für das neue Jahr haben wir uns trotz der unsicheren Zukunft entschieden, mehrere neue Projekte in Angriff zu nehmen. In einem Dorf 160 Kilometer von Odesa entfernt werden wir im ersten Halbjahr ein Kinder- und Jugendzentrum eröffnen, nach dem Vorbild wie wir es seit mehr als 20 Jahren tun. Parallel dazu wollen wir auch an dem Erholungszentrum für traumatisierte Familien weiterarbeiten und – so Gott will – eine Bäckerei eröffnen, um Menschen mit Arbeit und Brot zu versorgen.
Parallel dazu wird die Arbeit in Odesa und im Erzgebirge weitergehen.
Wir möchten uns herzlich bedanken, bei allen Mitarbeitern, freiwilligen Helfern, Betern und finanziellen Unterstützern. Eure Hilfe ist eine große Ermutigung.
Wir wünschen uns und euch Gottes Schutz und Segen, Frieden und warme Herzen, die die Kälte vertreiben.
In tiefer Verbundenheit,
Slavik und Nicole aus Odesa