Frühling 2024

Frühling 2024

Beten ist das Atemholen der Seele. So hat es einmal ein kluger Mann formuliert. Wenn ich über unser neues Leben nach Februar 2022 nachdenke und darüber, was uns Kraft und Hoffnung gibt ist es wohl gerade das regelmäßige Atmen unserer Seele.

In den folgenden Zeilen möchten wir Euch mit hineinnehmen in das, was wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, wie unser Alltag hier in Odesa ausschaut und welche Pläne wir für die kommende Zeit haben.

Es ist eine Tatsache, dass die Folgen des Krieges inzwischen in allen Lebensbereichen zu spüren sind und den Alltag sehr verändert haben. Am meisten schockieren natürlich die Angriffe auf zivile Infrastruktur, auf Wohnhäuser und Orte wo Menschen spazieren oder einkaufen gehen. So wurde dieses Haus, circa 400 Meter von unserem Tageszentrum entfernt, bei einem nächtlichen Drohnenangriff teilweise zerstört. 12 Menschen – darunter 5 Kinder – haben dabei ihr Leben verloren.

Jeden Tag wird unser Alltag mehrmals durch Luftangriffsalarm unterbrochen. In diesen Momenten werden Kinder in Schulen und Kindergärten schnell in Luftschutzkeller gebracht, Geschäfte schließen und das Leben steht still. Auch wir haben für unser Tageszentrum für diesen Fall Vorkehrungen getroffen: die Fenster wurden mit einer Spezialfolie beklebt, um das Zersplittern zu verhindern, da viele Verletzungen durch Glassplitter entstehen können. Bei Alarm halten sich unsere Kinder in einem fensterlosen Raum auf, was natürliche die Anzahl der Kinder, die wir täglich bei uns haben, auf 20 Personen beschränkt.

Dennoch gelingt es uns – nicht zuletzt durch Eure Unterstützung – Kinder und Jugendliche in diesen herausfordernden Zeiten zu fördern und ihnen zumindest einen Teil eines geregelten Alltags zu organisieren. Am vergangenen Sonntag haben wir in unserem Garten einen schönen Nachmittag beim gemeinsamem Grillen, Sport und Spiel und viel Spaß verbracht. Logopädie, Basteln und Singen unter Anleitung einer professionellen Sängerin gehören inzwischen zu den festen wöchentlichen Aktivitäten. Auch für die heute beginnenden Sommerferien haben wir viele interessante Aktionen geplant. Natürlich hinterlässt der Krieg und die ständige Bedrohung Spuren in den Kinderseelen. Wir hoffen jedoch, dass wir mit unserem Dienst einen kleinen Beitrag dazu leisten, diese Folgen so gering wie möglich zu halten.

In vielen Fällen besteht unsere Unterstützung in den letzten Monaten darin, Hilfe für die Familien gefallener, vermisster oder verletzter Soldaten zu leisten. Auch Menschen, die durch den Krieg ihr Zuhause verloren haben, in finanzielle Notlagen geraten sind oder medizinische Hilfe benötigen stehen wir zur Seite. Außerdem senden wir regelmäßig Hilfsgüter an frontnahe Orte, die von Partnerorganisationen an bedürftige Menschen weiterverteilt werden. Vielen Dank für alle finanzielle und materielle Gaben!

In den nächsten Monaten wollen wir unsere Pläne, einen Ort der Erholung und Wiederherstellung für traumatisierte Menschen, mit dem Schwerpunkt „Hilfe für Familien“ weiter vorantreiben. Durch die große Planungsunsicherheit, die mit der Mobilisierung fast aller gesunden Männer zwischen 18 und 60 und der weiteren konstanten Bedrohung auch für unser Gebiet einhergeht, können wir im Moment nur kleine Schritte gehen. Wir hoffen und beten jedoch, dass sich wie bei einem Puzzle nach und nach die richtigen Teile zusammenfügen. Das haben wir all die 25 Jahre, die es Lebendige Hoffnung e.V. gibt erlebt und vertrauen, dass es auch in der Zukunft so sein wird.

Am Schluss möchte ich mit Euch ein Gebet von Antoine de Saint-Exupéry teilen, auf das ich vor einiger Zeit gestoßen bin und das ich in großen Teilen zu meinem Gebet gemacht habe:

Herr, ich bitte nicht um Wunder und Visionen, sondern um Kraft für den Alltag. Mach‘ mich erfinderisch, damit ich mich im täglichen Vielerlei nicht verliere. Lass mich die Zeit richtig einteilen und mich herausfinden, was erst- und was zweitrangig ist. Träume helfen nicht weiter, weder über die Vergangenheit, noch über die Zukunft. Hilf mir, das Nächste so gut wie möglich zu tun. Schenke mir die nüchterne Erkenntnis, dass im Leben nicht alles glatt gehen kann, dass Schwierigkeiten und Niederlagen, Misserfolge und Rückschläge eine selbstverständliche Zugabe zum Leben sind, durch die wir wachsen und reifen. Schick mir im rechten Augenblick jemand, der den Mut hat, mir die Wahrheit in Liebe zu sagen. Viele Probleme lösen sich dadurch, dass man nichts tut. Gib, dass ich warten kann. Schenke mir wahre Freunde und lass mich diese Freundschaft wie eine zarte Pflanze pflegen. Mach aus mir einen Menschen, der einem Schiff mit Tiefgang gleicht, um auch die zu erreichen, die „unten“ sind. Bewahre mich vor der Angst, ich könnte das Leben versäumen. Gib mir nicht, was ich wünsche, sondern das, was ich brauche. Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte.

AMEN.

Wir danken Euch von Herzen für alle Gebete, Spenden und für Eure Freundschaft und wünschen Euch von Herzen Gottes Schutz und Segen.

Slavik und Nicole
mit den Kindern und Mitarbeitern von Lebendige Hoffnung in Odesa

Lebendige Hoffnung e.V.
IBAN: DE77870540003442001004
SWIFT: WELADED1STB