Herbst 2024
Wie viel schlechte Nachrichten kann ein Mensch verkraften?
Immer wieder fallen mir in den letzten Wochen Überschriften wie diese im Internet auf. Es wird dann oftmals ausführlich erklärt, dass man sich bei all den Krisen und Hiobsbotschaften doch bitte auch genug Zeit für die eigene mentale Gesundheit nehmen und sich nicht zu sehr mit all den negativen Schlagzeilen beschäftigen soll. Doch was ist mit den Menschen, für die diese Nachrichten Realität und Alltag sind, was mit den Betroffenen, um die es in diesen Berichten geht. Tagtäglich sehen wir uns in Odesa und in der gesamten Ukraine mit Tod, Verlust, Angst, Sorgen und Ungewissheit konfrontiert. Wie so oft finden wir Ermutigung, Trost und Zuspruch in Bibelworten, die sich als zuverlässig und wahr erweisen. So auch in Bezug auf schlechte Nachrichten. Psalm 112 hat dazu Folgendes zu sagen: „Glücklich der Mensch, der den HERRN fürchtet, der viel Gefallen an seinen Geboten hat! Er wird sich nicht fürchten vor böser Nachricht. Fest ist sein Herz, es vertraut auf den HERRN.“ Beides entspricht unserer Lebenswelt – eine riesige Anzahl von negativen Nachrichten und dennoch ein innerer Frieden, den wir aus unserem Glauben schöpfen dürfen.
Hinter uns liegen drei Monate Sommerferien, die wir vor allem damit verbracht haben, „unseren Kindern“ aus dem Tageszentrum schöne Erlebnisse und so unbeschwerte Tage, wie unter den gegebenen Umständen möglich, zu organisieren. Die regelmäßigen, oft stundenlangen Stromausfälle konnten wir mit einem leistungsfähigen Generator überbrücken, den wir dank Eurer Spenden erworben haben. So hatten wir jeden Tag ein leckeres warmes Mittagessen und konnten einen reibungslosen Ablauf aller Aktivitäten – unter anderem der so dringend nötigen Logopädieeinheiten gewährleisten. Die Höhepunkte bildeten unsere gemeinsamen Ausflüge ans Meer, Kinobesuche und zwei Grillfeste in unserem Garten bei denen an Wasserspielen nicht gespart wurde. Trotz allem merken wir vielen der Kinder an, dass die mehr als zwei Jahre Krieg nicht spurlos an ihnen vorüber gehen. Es ist für uns immer wieder ein Drahtseilakt, die richtige Balance zwischen Verständnis für die jeweilige Familiensituation und konsequenter Erziehung zu finden.
Einen großen Teil unseres Dienstes nimmt inzwischen auch der Kauf und die Verteilung individueller materieller Hilfe ein. Wir praktizieren nach wie vor keine großen Verteilaktionen sondern leisten Hilfe personenbezogen und auf die jeweilige Lebenssituation der Menschen angepasst. In den vergangenen Monaten umfasste das wöchentliche Lebensmittelpakete für alleinerziehende Mütter, die aufgrund einer Behinderung oder anderer Schwierigkeiten arbeitslos sind, den Einkauf von Medikamenten und Hilfsmitteln für alte und kranke Menschen, die mit einer Rente von 60 bis 100 Euro nicht genug zum Leben haben, aber auch der Einkauf von Schulkleidung und Materialien für Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Auch die Reha eines im Krieg schwer verletzten Mannes hat unser Verein übernommen. Seine Frau, die ihn schon seit über einem Jahr auf dem Weg zurück in ein mehr oder weniger unabhängiges Leben begleitet, hatte sich an uns gewandt nachdem sie bereits alle privaten Gelder aufgebraucht hatten. Wir sind sehr froh, dass wir dieser Familie mit Euren Spenden helfen durften. So gelingt es immer wieder, Menschen, die von schlimmen Nachrichten entmutigt und deprimiert sind, kleine Momente der Hoffnung zu schenken. Ein Monat intensiver Physiotherapie haben große Fortschritte gebracht und nun können die erlernten Übungen zu Hause eigenständig fortgeführt werden.
Die schlimmsten Nachrichten im Krieg sind jedoch die, dass Väter, Ehemänner und Söhne an der Front gefallen oder verschollen sind, dass Freunde und Verwandte Bombenangriffe nicht überlebt haben oder Familien zum wiederholten Male flüchten müssen, da die Front immer näher rückt. Oft bleibt uns in solchen Situationen nur das Zuhören. Darin besteht in den vergangenen Monaten ein nicht unerheblicher Teil unserer Arbeit – wir hören geduldig zu, wenn uns Menschen davon erzählen, wie sie unter den Folgen des Krieges leiden. Erst letzte Woche rief mich eine Bekannte an, deren Mann vor vier Monaten einberufen wurde. Am 14. August ist er gefallen. Sie bleibt mit ihren vier Kindern als Witwe zurück. Auch der Vater einer Mitarbeiterin wurde vor 6 Wochen mobilisiert und nun an die Front verlegt. Das Warten auf ein Lebenszeichen und die Angst vor schlechten Nachrichten sind nun ihr ständiger Begleiter. Gerade deshalb ist es wichtig weiter hier vor Ort zu sein. Jeden Tag können wir unseren Teil dazu beitragen, das Leben im Krieg erträglicher zu machen. Wir danken Euch von Herzen, dass Ihr uns dabei unterstützt.
Für die Weihnachtszeit planen wir wieder die Verteilung von Weihnachtsgeschenken und Lebensmittelpaketen. Eine Liste von benötigten Dingen werden wir in Kürze auf unserer Internetseite veröffentlichen. Wir würden uns sehr freuen, wenn Ihr Euch zahlreich beteiligt.
Wir danken Euch von Herzen für alle Gebete, Spenden und für Eure Freundschaft und wünschen Euch von Herzen Gottes Schutz und Segen.
Slavik und Nicole mit den Kindern und Mitarbeitern von Lebendige Hoffnung in Odesa