Jahresbericht 2023
STATIONEN DER HOFFNUNG
Wieder geht ein Jahr zu Ende. Es war ein schweres Jahr, voller Arbeit, schlechter Nachrichten, enttäuschter Erwartungen – dennoch ein Jahr, auf das wir am Ende mit viel Dankbarkeit zurückblicken. Ist es nicht alles eine Frage der Einstellung und der Perspektive? Kann man nicht auch in Krisenzeiten, im Krieg, in Entbehrung und Trauer Gründe finden, dankbar zu sein? Wir glauben „JA“ und wollen in diesem Jahresrückblick auf Stationen der Hoffnung zurückblicken, die uns Grund zur Dankbarkeit liefern und Mut machen, weiter voran zu gehen, auch wenn die Zukunft ungewiss scheint.
Das Gebet, welches Reinhold Niebuhr im zweiten Weltkrieg formuliert hat, spiegelt wieder, was wir in den letzten zwei Jahren von Gott erbitten. Wir wollen nicht passiv werden, uns aber auch nicht in politischen Diskussionen, Streitereien und Aktivismus aufreiben, sondern tun, was möglich und nötig ist, um die Situation einzelner Kinder, Jugendlicher und Familien zu verbessern, so wie es uns immer ein Anliegen war. Dazu brauchen wir Weisheit und Gelassenheit, die wir uns allen auch für 2024 wünschen.
STATION DER HOFFNUNG – ERZGEBIRGE
Das Gelassenheitsgebet
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Reinhold Niebuhr
Es ist schwer Worte zu finden, um meine Dankbarkeit gegenüber eurem Verein richtig auszudrücken. Dank Euch haben wir uns immer willkommen gefühlt. Ich bin mit meinen beiden Enkeln nun schon das zweite Jahr in Deutschland und wir haben viele gutherzige Menschen getroffen. Meine Enkel arbeiten und lernen Deutsch. Wir wohnen in einer warmen, hellen, gemütlichen Wohnung. Vielen Dank für alles!
Rentnerin (61 Jahre) –
ukrainische Geflüchtete
Seit Ausbruch des Krieges ist meine alte Heimat – das Erzgebirge – zu einem sicheren Hafen für viele Ukrainer geworden. Wir sind froh und dankbar, dass von März 2022 bis Juni 2023 viele ehemalige Tageszentrumsbesucher aus Odesa im evangelischen Pfarrhaus in Hermannsdorf eine Zuflucht fanden. Aufgrund der unveränderten angespannten Sicherheitslage in der Ukraine war das keine Dauerlösung und unser Verein organisierte und renovierte im ersten Halbjahr 2023 viele Wohnungen in Annaberg- Buchholz und Umgebung, in die „unsere“ Ukrainer umziehen konnten. Ein besonderer Dank gilt allen Helfern und Unterstützern, die mit ihrem großartigen Einsatz den erzwungenen Wechsel in ein unbekanntes Land erleichtert haben. Gelebte Nächstenliebe spricht doch mehr als tausend Worte.
Drei junge Männer habe bereits die Hälfte ihrer Ausbildung hinter sich und ihre Arbeitgeber sind sehr zufrieden. Wir sind beeindruckt, wie gut viele der jungen Erwachsenen in dieser Zeit Deutsch gelernt haben. Wieder anderen fällt die Integration schwer. Oft spielt dabei die Sehnsucht nach der Heimat und nach den Freunden und Verwandten eine große Rolle. Die Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges hemmt Pläne für die Zukunft zu machen und konkrete Schritte zu gehen. Immer wieder ermutigen wir in persönlichen Gesprächen die geschenkte Zeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.
Dankbar sind wir auch für die vielen Hilfstransporte, die wir 2023 vom Erzgebirge aus unterstützen durften. Lebensmittel, medizinischer Bedarf, Fahrräder, Weihnachtsgeschenke und vieles mehr fanden ihren Weg in die Ukraine.
Für mich persönlich ein Highlight war die Begleitung der Schwangerschaft und Geburt eines kleinen Ukrainers, dessen Familie im Frühjahr 2022 nach einer dramatischen Flucht aus dem besetzten und komplett zerstörten Mariupol ihren Weg ins Erzgebirge fand. Der junge Mann wächst und gedeiht. Ein Neuanfang, der Hoffnung macht. Kinder sind wirklich eine Gabe Gottes und helfen uns, nach vorn zu schauen.
STATION DER HOFFNUNG – ODESA
Die größte Freude haben wir in diesem Jahr „unseren“ Kindern und Jugendlichen gemacht, die nach Kriegsausbruch in Odesa geblieben waren. Mit der Wiedereröffnung eines unserer Tageszentren im September 2023 kam ein Stück Normalität und Struktur in ihren Alltag zurück. Regelmäßige reichhaltige Mittagessen, gemeinsames Kochen, Backen, Basteln, Arbeiten, Lernen, Lachen, Spielen und Weinen machen das Leben in Kriegszeiten erträglicher.
Man merkt den Kindern und Jugendlichen den Stress der vergangenen zwei Jahre an. Im Herbst kamen Kinder zu uns, die große Schwierigkeiten hatten zu sprechen, die sich Schulbesuch und Hausaufgaben abgewöhnt hatten, die sich von Chips und Cola ernährten und zum Teil verlernt hatten, was Körperpflege bedeutet. Es ist ermutigend für unser kleines Team zu sehen, wie schnell man mit regelmäßigen liebevollen Angeboten Veränderung bewirken kann.
Wenn wir um 12:00 Uhr von montags bis freitags die Türen öffnen, stehen oft die ersten Kinder schon vor unserem Eingang und wenn wir 17:00 schließen wollen, kosten sie die Zeit bis zum letzten Moment aus und bitten uns oft, doch ein bisschen länger bleiben zu dürfen.
Nach wie vor ist unser gemeinsames Mittagessen ein wichtiger Moment in unserem Alltag. Vorher bieten wir immer ein gemeinsames Tischgebet an, wo jedes Kind, das möchte, auch ein persönliches Gebet sprechen darf. Vor einigen Wochen war ich zu Tränen gerührt, als ich das erste Mal sehr bewusst wahrnahm, wie sich die Gebete durch den Krieg verändert haben. Viele beteten, dass verwandte Soldaten unverletzt von der Front heimkehren, dass ein Lebenszeichen von einem seit März 2022 vermissten Vater kommt, dass die Väter, die noch zu Hause sind, nicht zum Militärdienst eingezogen werden und dass Gott uns alle vor Raketeneinschlägen bewahren möge. Angst und Sorgen sind allgegenwärtig. Umso mehr sind wir von Herzen dankbar, dass wir unseren Dienst in Odesa wieder aufnehmen konnten.
Vor dem Krieg hatten wir geplant, die Räume für dieses Tageszentrum käuflich zu erwerben. Der Mietvertrag war abgelaufen und es schien uns eine gute Entscheidung zu sein. Wie so vieles wurden auch diese Pläne durchkreuzt. Wir sind aber sehr froh, mitteilen zu können, dass wir vorige Woche einen Mietvertrag für 5 Jahre mit Vorkaufsrecht abschließen konnten. Für die Zeit des Krieges müssen wir keine Miete zahlen. Gott sei Dank!
LEBENDIGE HOFFNUNG 2024
Ins neue Jahr gehen wir mit der Hoffnung, auch in den kommenden Monaten den Lebensweg von Kindern, Jugendlichen, Familien und Menschen in Not nachhaltig zum Positiven beeinflussen zu können. Die Lebendige Hoffnung, die jeder von uns in sich trägt, wollen wir weitergeben. Oft haben wir in den vergangen Jahren an dieser Stelle unsere Pläne und Projekte für das neue Jahr geteilt. Wir hoffen auf Euer Verständnis, dass wir das auf spätere Updates und Rundbriefe verschieben. Viele Entscheidungen treffen wir unter den gegebenen Umständen kurzfristig und situationsabhängig. So konnten wir kurzfristig zum Beispiel 48 unserer Weihnachtsgeschenke zu Kindern an die Front nach Konstantinivka schicken. Eine von vielen spontanen Aktionen, die es wohl auch in Zukunft in Fülle geben wird.
Wir bedanken uns auch im Namen aller Kinder, Familien und Mitarbeiter aus Odesa und aus dem Erzgebirge von ganzem Herzen für Eure Unterstützung. Ohne die vielen Menschen aus vielen Ländern, die mit uns diesen Dienst tun, für uns beten und spenden, wäre wenig von dem, was in diesem Rundbrief steht, zustande gekommen. Vielen Dank!
Wir wünschen Gottes Schutz und Segen, Frieden, Gelassenheit und Weisheit im Neuen Jahr!
Herzlichst,
Slavik und Nicole aus Odesa