Jahresbericht 2020

Jahresbericht 2020

EINE GEMEINSCHAFT – DREI ORTE – VIELE GESCHICHTEN

2020 geht zu Ende. Ein Jahr ganz anders, als wir es alle geplant und erwartet hatten. Plötzlich wird jedem bewusst, wie wenig wir Menschen doch eigentlich in der Hand haben. Im Grunde nichts, denn keiner von uns kann wie es in der Bibel steht „durch’s Sorgen machen sein Leben auch nur um einen Tag verlängern“. (Matthäusevangelium 6:27). Welch ein Geschenk, gerade in Krisenzeiten im Glauben verankert zu sein.

Trotz vieler Planänderungen und sogar einem totalen Lockdown von Mitte März bis Mai haben wir am Ende dieses Jahres viele spannende Geschichten zu erzählen und ja, wir haben viel Grund zum Danken. Wir freuen uns, dass wir gemeinsam durch diese besonderen Zeiten gehen dürfen und dass wir als Team von „Lebendige Hoffnung e.V.“ viele Gelegenheiten haben, Menschen Hoffnung zu machen. Ohne die Unterstützung von Freunden aus vielen verschiedenen Ländern wäre das in dieser Art und Weise nicht möglich und wir bedanken uns im Namen aller Kinder und Familien, denen geholfen werden konnte, bei jedem Einzelnen von Euch.

In diesen Jahresrückblick können wir aus Platzgründen nur drei von vielen Familiengeschichten erzählen, die einen Einblick in unseren Alltag und den Alltag der Menschen geben, mit denen wir unser Leben teilen. Lasst uns zurückschauen auf 2020 in Odessa und Petrivka.

Leider spielen die Väter der Kinder in allen drei Familien keine Rolle mehr – wie in den meisten Familien, mit denen wir arbeiten. Viele unserer Kinder und Jugendlichen haben keine Väter, die ihnen Vorbild und Unterstützung sind – was offensichtlich nicht ohne Folgen bleibt. Umso wichtiger, dass sie sich in unseren Tageszentren zu Hause fühlen und ihre Kindheit genießen können.

GESCHICHTE #1 – MIT DEM LETZTEN BUS IN EIN NEUES LEBEN

Seit 2013 kennen wir die Familie, die in diesem Jahr eine wirkliche Transformation erlebt hat. Die Mutter, eine sehr fleißige Frau, die ihre zwei Söhne allein großzieht, verfiel leider immer wieder in starke Suchtperioden, die sich auch maßgeblich auf ihre Gesundheit auswirkten. In vielen Gesprächen, im Familiencamp und im Tageszentrum, machten wir ihr oft Mut, ihre Sucht mit Gottes Hilfe in Angriff zu nehmen. An einem Abend im März rief sie mich verzweifelt an und flehte darum, für sie einen Platz in einer christlichen Rehabilitationseinrichtung zu suchen. Durch ein über die letzten 20 Jahre gewachsenes Netzwerk fanden wir tatsächlich ein Rehazentrum in Zhytomyr, das bereit war, sie kurzfristig aufzunehmen. Wir trafen alle Vorbereitungen und kauften Fahrkarten für den Bus. Wie wir später erfahren sollten war es der letzte Bus, der vor dem totalen Lockdown aus Odessa abgefahren ist. Für uns ein Wunder und göttliche Führung. Da kann ich nur Ben Gurion zustimmen, der gesagt hat: „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“ Im Sommer haben wir mit den beiden Jungs neue Fenster einbauen lassen und die Renovierung der Wohnung begonnen, um die Mutter bei ihrer Rückkehr damit zu überraschen. Nach 5 Monaten in Reha ist die Mutter im August zu ihren Söhnen zurückgekehrt und sie ist ein veränderter Mensch. Sie hat nicht nur im Glauben eine neue Lebensgrundlage gefunden, sie hat auch neue Kraft für den Alltag und nimmt am Leben ihrer Söhne teil. Wir danken Gott für diesen Neuanfang und allen, die sich durch finanzielle Gaben an der Reha und der Renovierung der Wohnung beteiligt haben.

GESCHICHTE #2 – LEBEN AM SEIDENEN FADEN

Am 27. Juli bekamen wir einen Anruf von einer Fünfzehnjährigen, die uns ganz aufgelöst darüber informierte, dass man soeben ihre Mutter mit dem Krankenwagen abgeholt habe und sie bat uns darum, so schnell wie möglich in die Notaufnahme zu kommen. Natürlich kamen wir dieser Bitte nach und was wir zu sehen bekamen, machte uns wenig Hoffnung. Ein Blutgefäß war geplatzt und die Mutter hatte mehr als 3 Liter Blut verloren. Sie war in sehr kritischem Zustand und trotz allem lies man sie die kommenden 8 Stunden auf einer Trage im Korridor der Notaufnahme liegen. Leider immer wieder Realität in ukrainischen Krankenhäusern, wo Menschen oft nach behandlungswürdig und -unwürdig eingeteilt werden. Aufgrund ihrer Familiengeschichte zählte diese Frau wohl eher zur zweiten Gruppe. Gott sei Dank änderte sich dies nach unzähligen Telefonaten und es fand sich schließlich ein Platz auf der Intensivstation. Nach mehreren Operationen, vielen Bluttransfusionen (das Blut mussten wir selbst aus verschiedenen Krankenhäusern abholen) und langen Medikamentenlisten, die alle von uns gekauft werden mussten, stand nach einer Woche fest, dass sie überleben und auch beide Beine behalten wird. Was für eine Erleichterung und Freude vor allem für ihre beiden Kinder. Ein besonderer Dank gilt einem Ehepaar aus Brandenburg, die einen Großteil der Kosten übernommen haben und allen, die im Gebet an diese Familie denken.

GESCHICHTE #3 – UND PLÖTZLICH STEHT MAN VOR DEM NICHTS

Anfang November wurde eine andere Familie von einem schweren Schicksalsschlag getroffen. Aufgrund sehr alter Elektrokabel kam es zu einem Kurzschluss und danach zu einem Wohnungsbrand, beim dem die Oma von drei Jungs ums Leben kam und aller Besitz zerstört wurde. Das ist bereits der zweite Brand innerhalb eines Jahres, von dem Familien betroffen sind, die wir begleiten. Das hat uns dazu bewegt, für die Zeit nach den Quarantänemaßnahmen in Zusammenarbeit mit der örtlichen Feuerwehr eine Infoveranstaltung für alle unsere Kids zu planen, bei der sie lernen sollen, wie man Bränden vorbeugt und wie man sich im Notfall verhält. Wir sind froh und dankbar, dass wir auch im Fall dieser Familie schnell und unbürokratisch Hilfe organisieren konnten. Eine Kirche aus Deutschland, die wir informierten, spendete sehr schnell genug Geld, um eine Renovierung zu beginnen und wir hoffen, dass die Familie bis zum Jahresende wieder in die eigenen vier Wände zurückkehren kann.

Diese drei Geschichten sind nur ein Bruchstück von dem, was wir in diesem Jahr erlebt haben. Natürlich findet der Hauptteil der Arbeit in den drei Tageszentren statt, wo wir täglich bis zu 100 Kindern und Jugendlichen einen sicheren Ort bieten können, wo Platz fürs Lernen, Spielen, Lachen und Weinen ist. Durch die schwierige Situation im ganzen Land haben wir unsere Arbeit mit den Familien und Eltern intensivieren können, was uns sehr dankbar macht. Dabei ist die materielle Hilfe oft ein Schlüssel zu den Herzen der Menschen, die dann auch Vertrauen fassen, ihre seelischen Nöte mit uns zu teilen. Durch unsere Präsenz im Internet wenden sich manchmal auch Menschen aus anderen Teilen der Ukraine mit ihren Anliegen an uns. So zum Beispiel eine Familie aus dem Nordosten, die in einem kleinen Dorf in sehr ärmlichen Verhältnissen lebt. Durch eine gute Vernetzung mit anderen christlichen Hilfswerken, konnten wir 200 Euro überweisen, um die Familie mit dem nötigen Brennholz und Lebensmitteln für den Winter zu versorgen. Wir sind so dankbar, dass wir die Möglichkeit haben, diese Hilfe zu leisten.

Auch für die Weihnachtszeit und den Jahreswechsel planen wir das Verteilen von Lebensmittelpaketen an Familien und ältere einsame Menschen. Schon während des Lockdowns im Frühjahr konnten wir mehr als 1000 Lebensmittelpakete verteilen und so vielen Familien durch die schwierige Zeit helfen. Dabei sind unsere Kinder und Jugendlichen alle mit eingespannt – die einen basteln Weihnachtskarten, die anderen stellen die Hilfspakete zusammen, andere helfen bei den Besuchen. Wir sind eben ein eingespieltes Team und es macht Freunde zu sehen, wie gern unsere Kinder mit anderen teilen und von dem, was wir haben, abgeben.

Für 2021 haben wir uns viel vorgenommen. Gern wollen wir eigene Räume für unsere Tageszentren erwerben, da sich die Zusammenarbeit mit dem Staat nicht immer einfach gestaltet. Wir vertrauen darauf, dass wir mit Gottes Hilfe weiterhin für Kinder und Jugendliche, ein Umfeld für ein unbesorgteres und gesundes Leben schaffen können, trotz aller Nöte in ihren Familien.

Wir bedanken uns bei allen, die uns 2020 unterstützt haben. Unser Dienst in der Ukraine wäre ohne diese vielfältige Hilfe in Wort und Tat nicht möglich! Wir danken für alle Emails, Anrufe, Gebete und Spenden!

Für das neue Jahr wünschen wir von Herzen Gottes Schutz und Segen, Frieden und Zufriedenheit! Mit herzlichen Grüßen aus Odessa und Petrivka

Slavik und Nicole mit Rebekka und Sarah sowie die Kinder, Familien und Mitarbeiter von Lebendige Hoffnung Odessa & Petrovka

Lebendige Hoffnung e.V.
IBAN: DE77870540003442001004
SWIFT: WELADED1STB